Sieh, wie der verselbständigte Tauschwert
Natur- & Menschenmaterial an sich reißt,
sich einbrennt in neuronale Netzwerke
(„Wer nicht an mir hängt, ist schon Konkursmasse!“),
jeden dazu aufruft, sich ihm anzuähneln:
nämlich sich selbst zu verwerten & sich
verwertbar trimmen zu lassen,
Warenschein nachzuäffen,
hörig den Selbstdarstellungsdiktaten
von Charaktermasken für Charaktermasken -
„Komm zu dir, indem du dich vergleichgültigst!“
Kommunikation als Selbstinszenierung,
getreu der Waren- & Wertform...

Wer noch das alte (nostalgische? Schlagwort von der
„Großen Weigerung“ bemüht,
wird herzlich ausgelacht, ist nicht angekommen
im globalisierten Hier & Jetzt,
ist Romantiker, blauäugig, „Gutmensch“ vielleicht.
Den Klimawandel zerredet man & begipfelt sich,
zwar wird endlich was getan, doch zu wenig, zu langsam,
auch weiterhin frönt man dem Wachstumszwang,
der „Effizienz“ & der „Rentabilität“,
hat „Spaß“ an der Konkurrenz der Egos...
Noch ist jede durchgebrannte Lampe ersetzbar.
„Wer hat, dem wird gegeben“
(das Sankt-Matthäus-Syndrom)
& wer nicht will, der hat schon“ (verspielt).
Weltkapitalismus als Leitkultur,
die Gehirne der Menschen kauend & wiederkäuend...
Süchtlinge und Flüchtlinge stehen Schlange,
um sich zu „integrieren“ und ausbeuten zu lassen...

Was das Proletariat nicht schaffte,
schafft vielleicht die Natur:
auszuhebeln die strukturgesetzlich verordnete
„maßlose Verwertung“ -
Natur als hoffnungsloser Fall:
Der Wirt entzieht sich dem Virus
& schlägt die Tür zu,
nun kann es an sich selbst ersticken.
Ist die Flexibilität des großen Signifikanten
mehr als nur Waren-Diversifikation?
Die Möglichkeiten von Schadensverwertung sind begrenzt,
doch noch funktioniert die Allianz der Bosse & Spießer...

Mensch, trink das Meer aus -
Hörst du die gepressten Rufe?
Das ist deine „andere Seite“,
so weit sie noch nicht verschütt ging; sie fragt dich:
Wie wäre es denn wenigstens mit
einer aus sich selbst heraus reicher werdenden Reihe
kleiner Verweigerungen?

Es gibt keine linke Bewegung mehr, heißt es.
Und doch bewegt sich noch was,
in schrägen mikrobischen Kreiseln & Splittern
& Aufbäumungen -
in Hohlräumen, Rissen & Nischen.
Das ist doch nicht wenig!
Dann lassen wir doch 'die Bewegung'
und nehmen die kleinen Bewegtheiten...

Also: Nun macht mit, bitte bewegt euch!
Ihr Unzufriedenen & potentiell Unangepassten:
Bleibt nicht die Voyeure eures eigenen Zerfalls,
trennt euch ab von den Kanülen
der Verwertungsmaschinerie, an die
man euch zu fesseln versucht!
Verweigert die warenförmigen Seditativa, die euch
zur Identifikation treiben sollen mit dem,
was euch vom Leben & euren Möglichkeiten trennt!
Horcht auf den Klang des Zwielichts & werdet selber zwielichtig!
Agiert aus kleinen Nischen & Bruchstellen des Systems heraus!
Auch wenn Kreativität kaum mehr sein kann als ein
symbolischer Aufstand gegen den Globalbankrott:
Zu ihr durchzubrechen & sich entsprechend zu verausgaben,
ist wohl der einzige mögliche Ersatz für eine
unter kapitalistischen Bedingungen
vielleicht schon längst nicht mehr realisierbare Menschenwürde...

Also: Mit dem Auge gegen es selbst, sein leeres Starren,
mit dem Begriff gegen ihn selbst, seinen verfestigenden Zugriff,
mit dem Sprach-Leib gegen ihn selbst und seine Verkümmerung,
mit der destabilisierenden gegen die stabilisierende Methapher!
Werdet minoritär und bildet Rhizome!
Und obschon ihr vielleicht allein seid, seid es wenigstens
auf neue Weise, nicht resigniert, sondern entschlossen!
Werft die Leitern, die Vor-Gängerinnen & Vor-Gänger euch gaben,
nach dem Hinaufklettern hinter euch fort
& haltet euch in Bewegung!
Danke...

Thomas Collmer, 18./19. Januar 2016