Die Art und Weise, wie Menschen in ihren unterschiedlichen Gesellschaften zusammenwirken, nenne ich hier ihren gesellschaftlichen Zusammenhang. Schon Schimpansen können aufmerksam und klug sozial zusammenwirken. Darüber hinaus ist dieser Zusammenhang in der geschichtlichen Entwicklung der Menschen unterschiedlich direkt, indirekt, bewusst und unbewusst gestaltet. In der gegen-wärtigen Gesellschaft stellt sich der gesellschaftliche Zusammenhang untereinander auch einerseits über Kaufen und Verkaufen (also die zahllosen Warenaustauschakte) her. Andererseits sind wir Menschen über unsere jeweiligen Stellvertreter (Repräsentanten) ebenfalls indirekt miteinander verbunden. Dadurch nehmen die meisten Menschen ihren gesellschaftlichen Zusammenhang kaum selbst wahr. Eine kleine Schicht spricht und handelt für uns alle (Näheres siehe in: „Zur Kritik des Repräsentativsystems“.
Der gesellschaftliche Zusammenhang in dieser Gesellschaft stellt sich nur indirekt und stellvertretend her. Die Hauptkraft, welche diese globale Wirtschaft und Gesellschaft antreibt, ist nicht unser direkter menschlicher Einfluss, sondern das Geld in Gestalten des Kapitals, also das Finanzkapital, Handels- und Industriekapital. Die handelnden Personen verhalten sich dabei als TrägerInnen einer unpersönlichen wirtschaftlichen Funktion, um aus Geld ständig mehr Geld zu machen („Wachstum“). Als Erwerbstätige ist unser Teil der gesellschaftlichen Arbeit über den Arbeitsmarkt abhängig von den krisenhaften Konjunkturen dieser unpersönlichen Macht des Kapitals, die unsere Arbeitskraft einkauft. Nur wenn es dem Kapital „gut“ geht, fällt für uns auch etwas ab. Banken mussten „gerettet werden“ vom Geld der Steuerzahler, weil sonst die ganze Privatwirtschaft mit zusammengebrochen wäre. Die vielen erwerbtätigen Menschen sind in dieser Logik nicht so "systemrelevant", also nicht so wichtig. Dabei haben sowohl „Unternehmende“ als auch Erwerbstätige, mit denen etwas unternommen wird, also letztlich wir alle, „die Spielregeln des Marktes“ tief verinnerlicht. Wenn man einen Teil von uns so grundsozialisierten Menschen auf eine einsame, halbwegs fruchtbare Insel verbannen würde, könnten wir wahrscheinlich nur etwa dieselben alten Verhältnisse unter uns wieder errichten. Wir würden das verinnerlichte wertorientierte Denken und Handeln aufs Neue äußerlich darstellen. Solange es keine andere, demokratischere Wirtschaftsweise gibt, würde also auch ein Totalzusammenbruch dieses Wirtschaftssystems würde also zunächst zu nichts weiter führen, als zu noch massiver schlechteren Lebensverhältnissen für die übergroße Mehrheit der Menschen.
Dabei hat der „Kapitalismus“ nicht nur eine ungeheure Produktivität hervorgebracht (wenn auch fast alle produktiven Mittel und das allermeiste Produktionswissen zunächst in Form von Kapital und Staatlichkeit in den Händen von sehr wenigen ruht ...), sondern es entwickelt sich auch ständig einen Teil der Bedingungen dafür, dass die Menschen ihre Beziehungen untereinander grundlegend demokratischer und selbstbestimmter gestalten könnten: Trotz zahlreicher auch gegenläufiger Tendenzen lassen sich global massive Zeichen einer Bereitschaft dafür nachweisen, dass mehr Menschen selbst und direkte tätige Verantwortung für das eigene Gemeinwesen übernehmen wollen und können.
Eine Formel „Führer befiel wir folgen“ würde heute nicht mehr so zahlreich auf die entsprechend „folgsamen“ Charaktere treffen. Zum Beispiel findet eine zunehmende Anzahl von Menschen (u.a. bei Attac) globalpolische Entscheidungen, u.a. im UNO-Sicherheitsrat (speziell von den „Vetomächten“) nicht mehr zeitgemäß. Ähnlich verhält es sich mit den Steuerungsmaßnahmen der Privatwirtschaft von Internationalem Weltwährungsfond (IWF) und Weltbank.
Auch an vielen Erwerbsarbeitsplätzen, wo ja alles den Leistungen zur Gewinnmaximierung des jeweiligen Betriebes untergeordnet sein muss, ist es oft nicht mehr möglich, einfach alles „von oben nach unten“ zu verordnen. Man spricht von „flachen Hierarchien“, spielt „Team“ und trifft scheinbar gemeinsame Entscheidungen, um möglichst viele Fähigkeiten der Einzelnen mit auf die Märkte werfen zu können.
Die jahrzehntelange Vorherrschaft des sogenannten Westens mit den formellen bürgerlichen Demokratien hatte ebenso lange eine Herrschaft von Diktatoren in über hundert unterentwickelt gehaltenen Ländern zur Grundlage. Aber einige dieser Länder haben sich trotzdem (wirtschaftlich und auch politisch) entwickelt. Miltärdikaturen in Lateinamerika, an denen die US-Außenpolitik jahrzehntelang festhielt, wurden meist aus eigener Kraft überwunden. Der „arabische Frühling“ hat längst seine Ausstrahlung über den arabisch sprechenden Raum hinaus gezeigt. Hier seien nur die Bewegungen in Israel und in Spanien genannt. Besonders ein Überschwappen in die kapitalistischen Kernländer, speziell in die USA, war bestimmt nicht von den Trägern von „Wirtschaft und Politik“ geplant. So unbestimmt die Anliegen der Protestierenden der Occupy-Bewegungen teilweise sein mögen, so ist doch neben dem bloß appellativen Protest, doch etwas „gerechter“ zu herrschen, der sich an die regierenden Politiker richtet, auch eine Bereitschaft zu erkennen, sich selbst mit in die Gestaltung der EIGENEN Gesellschaft einzumischen. Diese Bewegungen haben die demokratischen Impulse vorheriger Bewegungen aufgenommen. Alle versammelten Menschen wirken zusammen, um zu einer Entscheidung zu kommen. Ihnen gelingt es, sich in einem manchmal mühseligen Prozess auf gemeinsames Handeln zu einigen. In vorbereitenden Arbeitsgruppen und der Versammlung aller entstehen neue Kräfte des Zusammenwirkens: http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=6dtD8RnGaRQ
Auch der Aufbruch der Piratenpartei in Deutschland innerhalb weniger Monate ist m.E. nicht nur ein diffuses Unbehagen in einer „Einpunktpartei“. Ihre Hauptforderung nach „Transparenz“, also nach größerer Nachvollziehbarheit und Überprüfbarkeit des Regierungshandelns und des Innenlebens des jeweils eigenen politischen Gebildes, ist möglicherweise ein wichtiger Schritt auf dem Weg einer weitergehenden tätigen Demokratisierung der bisherigen Regierungs- und Wirtschaftsweise. Das Internet KANN demokratische Verständigungsprozesse erleichtern, wenn die Menschen dazu bereit sind, es entsprechend zu nutzen.
Jedoch kann keiner der Proteste zunächst mehr bewirken, als hier und da einen reformerischen Anstoß zu geben für die privatwirtschaftliche Produktionsweise, also helfen, die größten Auswüchse zu korrigieren. Zum Beispiel hat die Anti-AKW-Bewegung dazu beigetragen, die ältesten Meiler mit dem höchsten Gefährdungspotential für die Bevölkerung früher abzuschalten, als es den Betreibern dieser Anlagen lieb und teuer war. Erst eine von breiten Bevölkerungskreisen aktiv betriebene Energiewende, die Stromerzeugung zu dezentralierieren und selbst zu organisieren in einem nachprüfbar gemeinnützigen Sinn, könnte auf Dauer einen wirklichen Kurswechsel bewirken. Oder, in die Zukunft geblickt, würde eine Börsenumsatzsteuer oder ähnliches den Investoren schon aufgenötigt werden können. Trotzdem wirken dann die Anpassungszwänge durch die Erwerbsarbeit ungebremst in unserem Alltag weiter. Eine neue, demokratischere Produktionsweise kommt nicht von allein auf diese Welt.
Allerdings sind die allermeisten von den hier und da (vielleicht gegen die Macht des Finanzkapitals) aktuell protestierenden, sich kommunal oder in Einzelfragen einmischenden Menschen noch nicht bereit, in ihrem Alltag einen solidargemeinschaftlichen Ansatz durch ihre eigene Aktivität zu stärken. Bewusste gegenseite Hilfe im Alltag als Teil einer direkten, qualitativ neuen, weniger entfremdeten Wirtschaftsweise ist bisher nur punktuell wirklich, aber immerhin zunehmend möglich geworden.
Verabredetes Wirtschaften meint hier einen freiwilligen Zusammenschluss von Menschen, die sich im Alltag gegenseitig gezielt unterstützen, um die Zwänge der Erwerbsarbeit zu mildern, um einen Freiraum abrechnungsfreier gegenseitiger Hilfe zu schaffen, um sich gegenseitig in ihren Neigungen zu förden, um Toleranz und kreativen Streit um den besten Weg der (Selbst)Humanisierung zu lernen. Mit dem Arbeitskreis Lokale Ökonomie haben wir nun über 10 Jahre Erfahrung mit der Entwicklung so einer bunten, selbstorganisierten Gruppe. Auch haben wir Kontakt zu ein paar ähnlichen Gruppen, z.B. der nichtkommerziellen Landwirtschaft vom Karlshof.
Bildet selbst in Eurem Bekannten- und Freudeskreis solche alltagstauglichen Gruppen gegenseitiger Hilfe in kapitalismusüberwindender Absicht. Wir beraten euch gerne dabei und sprechen auch über unsere Grenzen und Schwierigkeiten, damit sie gemeinsam überwunden werden können.
H. K.
Hamburg, Oktober 2011
jeden 1. Montag im Monat um 19 Uhr in der Bodenstedtstraße 16:
Plenum der Projekte im AK Lök.
Arbeitskreis Lokale Ökonomie e.V.
Bodenstedtstraße 16
22765 Hamburg
Tel.: 040 - 22 85 93 41
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