Wir, einige Aktive aus dem Umsonstladen des Arbeitskreis Lokale Ökonomie in Hamburg-Altona, werden im Folgenden einen kritischen Blick auf unsere eigene Praxis werfen. Wenn es uns nicht gelingt, gemeinsam mit den anderen Projekten des Arbeitskreises einen Zusammenhang solidarischen Wirtschaftens jenseits des Marktes aufzubauen, werden wir zu einer karitativen Einrichtung verkommen.
Im Zuge der öffentlichen Diskussion über „die Unterschicht" wurde in einer großen Hamburger Tageszeitung der Umsonstladen in Altona als einer der karitativen Initiativen aufgelistet, in denen Menschen für wenig Geld Dinge des täglichen Bedarfs erstehen können. Der politische Anspruch des Hamburger Umsonstladens – eine Kritik an der Warengesellschaft und der Versuch eines anderen Wirtschaftens – hat keinen Eingang in den Artikel gefunden. Diese Wahrnehmung unseres Umsonstladens als einer karitativen Einrichtung ist dabei nicht bloß der entsprechenden Journalistin eigen. Auch während unserer Öffnungszeiten werden wir von einigen unserer BesucherInnen derart wahrgenommen. Aus Gesprächen und durch das Verhalten verschiedener BesucherInnen kann man das erfahren: Häufiger werden Menschen von Sozialarbeitern zu uns geschickt, weil man sich hier kostenlos Dinge mitnehmen kann. Manche NutzerInnen tauschen sich darüber aus, wo es noch andere Stellen gibt, in denen man kostenlos etwas erhält. BesucherInnen, die uns Dinge bringen, sind fast empört, wenn mensch ihnen anbietet, sich im Laden umzuschauen, um sich auch Dinge mitzunehmen („ich hab es nicht nötig, hier etwas mitzunehmen"). Andere BesucherInnen, die etwas bringen, fragen nochmals extra nach, ob die Sachen auch wirklich von armen Menschen mitgenommen werden. Andere BesucherInnen beschweren sich darüber, dass wir Aktiven ebenfalls Dinge mitnehmen und nicht ehrenamtlich tätig sind.
Wir vermuten, dass die zunehmende Wahrnehmung der Öffentlichkeit und auch der Nutzer des Projektes als Versorgungsstation eine gesellschaftliche Entwicklung reflektiert, in der „soziale Supermärkte", Kleiderkammern und Suppenküchen als Teil eines normalen Lebens angesehen werden. Das Leitbild der „wachsenden Stadt Hamburg" fördert Prestigeprojekte wie die Elbphilharmonie oder die Hafencity, während gleichzeitig staatliche Leistungen gestrichen und damit privaten Initiativen überlassen werden. Das „Angebot" dieser Einrichtung stabilisiert letztlich die sozialen Missstände. Sie fördern eine Individualisierung von Problemen, die von Hilfseinrichtung zu Hilfseinrichtung mitgeschleppt werden. Eine solche Fürsorge erzieht die Menschen dazu, sich durch ein individuelles Durchwursteln durch die Hilfseinrichtungen durchzuschlagen. Solcher Art karitative Fürsorge reproduziert die Armen als solche, sie werden mit den notwendigsten Dingen versorgt. Sie bleiben Unselbständige, die beständig auf die Hilfe angewiesen bleiben.
Als Umsonstladen allein können wir dieser Gefahr, zu einer karitativen Einrichtung zu werden, nicht widerstehen. Unser Umsonstladen läuft seit nunmehr 8 Jahren gut. Wir haben sehr viele BesucherInnen, die eine ungezählte Mengen an Gebrauchsgegenständen gebracht und mitgenommen haben. Die Praxis eines Umsonstladens hat aber nicht die Eindeutigkeit, die wir ihr stets unterstellt haben. Menschen bringen zu uns Gebrauchsgegenstände und nehmen Gebrauchsgegenstände mit, ohne dass eine Verrechnung stattfindet. Insofern bricht die Praxis eines Umsonstladens mit der für kapitalistische Gesellschaften grundlegenden Form des gesellschaftlichen Zusammenhangs qua Tausch von Waren auf dem Markt. Sie ist aber offen für die Wahrnehmung als ein Verschenken, bzw. Geschenke entgegennehmen oder als ein Spenden, bzw. Spenden erhalten. In diesen Formen des Handelns steckt keine Dynamik, um zu einer anderen, demokratischeren Form des Wirtschaftens zu gelangen.
Unser Umsonstladen versucht dahingegen im Zusammenschluss mit den anderen Projekten des Arbeitskreises Lokale Ökonomie Hamburg eine Praxis der gegenseitigen Hilfe zu etablieren, die der Vereinzelung entgegenwirken soll. Im Rahmen unserer selbstorganisierten Projektgemeinschaft können Menschen sich aktiv an den bereits bestehenden Projekten beteiligen oder gemäß ihren Interessen eigene, neue Projekte aufbauen. Dazu ist nicht bloß der Wunsch nach einer sinnvollen Tätigkeit nötig, sondern auch der Wille, sich aktiv an den gemeinsamen Treffen, auf denen die gemeinsamen Angelegenheiten diskutiert und beschlossen werden, zu beteiligen. Die Gegenseitige Hilfe meint dabei, dass die Leistungen der verschiedenen Projekte (z.Zt. neben dem Umsonstladen, ein Kleinmöbellager, eine Fahrrad-Selbsthilfe-Werkstatt, Computerkurse und verschiedene Beratungsangebote) den anderen umsonst zur Verfügung stehen. Dadurch können wir einen Teil unserer Bedürfnisse befriedigen, ohne dabei eine Verrechnung von Leistung und Gegenleistung vorzunehmen. Da bei dieser gegenseitigen Hilfe die Übereinstimmung der vorhandenen Bedürfnisse und Tätigkeiten noch weitgehend zufällig bleibt, wollen wir künftig darüber hinaus zu einer Gemeinschaftsarbeit gelangen, die auf gemeinsamen Übereinkünften beruht.
In diesem Bereich entwickeln wir uns aber gerade weder qualitativ noch quantitativ weiter. Vielmehr stagniert die Projektgemeinschaft auf dem gegenwärtigen Niveau. Dies hat vermutlich verschiedene Gründe: Einige Aktive haben kein Interesse am Ausbau der Projektgemeinschaft. Anderen fehlt die Zeit und Energie, um sich mehr einzubringen. Wir gewinnen kaum noch neue Aktive. Viele von uns sind unzufrieden mit dem momentanen Zustand der Projektgemeinschaft. Aus dieser Unzufriedenheit haben sich erste Versuche ergeben, vor allem nach neuen Wegen der Öffentlichkeitsarbeit zu suchen, bei der wir die Inhalte mehr selbst bestimmen und bei der wir mit einem stärkeren Akzent als bisher Menschen zum mitmachen einladen wollen. Auch gibt es erste Ideen künftig vermehrt Diskussions- und Informationsveranstaltungen zu gestalten und Kontakte zu anderen Projekten solidarischen Wirtschaftens zu knüpfen. Sollte es uns nicht gelingen, gemeinsam mit den anderen Projekten des Arbeitskreises einen Zusammenhang solidarischen Wirtschaftens jenseits des Marktes aufzubauen, werden wir, so unsere Befürchtung, zu einer karitativen Einrichtung verkommen.
Volker Laas u.a.
Hamburg, Januar 2007
jeden 1. Montag im Monat um 19 Uhr in der Bodenstedtstraße 16:
Plenum der Projekte im AK Lök.
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